Qualifizierter Rotlichtverstoß

Was bedeutet qualifizierter Rotlichtverstoß?

Länger als eine Sekunde

Ein qualifizierter Rotlichtverstoß liegt vor, wenn das Überfahren der LZA mit einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bzw. einer Sachbeschädigung einhergeht oder wenn die Rotphase schon länger als 1 Sekunde andauert.

Eine Sekunde

Wenn die Lichtzeichenanlage länger als eine Sekunde Rot zeigte, wird der Verstoß mit einem Bußgeld von 200 €, zwei Punkten und einem Fahrverbot von einem Monat geahndet.

Gefährdung

Kommt es durch einen qualifizierten Rotlichtverstoß zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, erhöht sich das Bußgeld auf 320 €. Eine Gefährdung liegt z.B. bei Missachtung der Vorfahrt vor (BayObLG DAR 1997, 28).

Sachbeschädigung

Kommt es durch einen qualifizierten Rotlichtverstoß zu einer Sachbeschädigung, erhöht sich das Bußgeld auf 360 EUR.

Fahrverbot

Bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß wird ein Fahrverbot verhängt, weil eine besonders grobe Nachlässigkeit angenommen wird.

Berechnung der Rotlichtzeit

Für die Berechnung der Rotlichtzeit von mehr als einer Sekunde ist auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem Sie mit ihrem Fahrzeug die Haltelinie passieren (BGHSt 45, 134 = NJW 1999, 2978). Nur in Ausnahmefällen reicht die Feststellung aus, das Fahrzeug sei in den gesicherten Bereich der Kreuzung eingefahren (BGHSt 45, 134 = NJW 1999, 2978; OLG Hamm NStZ-RR 1996, 216).

Polizeibeobachtung – Einfaches Zählen

Wird ein Rotlichtverstoß durch Polizeibeamte persönlich beobachtet, wird die Rotlichtzeit regelmäßig durch einfaches zählen vorgenommen. Hier ist zwischen zufällige und gezielte Beobachtung streng zu unterscheiden.

1. „zufällige“ Beobachtung

Polizeibeamte “21 … 22”
Bei einem zufällig beobachteten Rotlichtverstoß reicht jedoch “21 … 22” nicht aus (OLG Hamm NZV 2001, 177 = zfs 2000, 513). Die bloß gefühlsmäßig geschätzte Zeit reicht ebenfalls nicht aus (AG Lüdinghausen NZV 2015, 255).

Die Obergerichte sind auch gegenüber Zeitmessungen mit dem Sekundenzeiger einer handelsüblichen Armbanduhr und dem Messen der Rotphase durch Mitzählen, also „21, 22…“, wegen der darin liegenden erheblichen Fehlermöglichkeiten kritisch (BayObLG DAR 1995, 496 = NZV 1995, 497 für einen „zufällig“ beobachteten Rotlichtverstoß; KG NZV 1995, 240; OLG Hamm NZV 2001, 177 = zfs 2000, 513 = VA 2001, 29 m.w.N.; s. aber OLG Hamm NZV 2010, 42 = VRR 2009, 271 = VA 2009, 156; zur Messung mit geeichter Stoppuhr KG NZV 2002, 334). In der Regel wird auch eine solche Zeitmessung als nicht ausreichend angesehen. Das gilt insbesondere, wenn es sich nur um die zufällige Feststellung eines Rotlichtverstoßes handelt und bei der Feststellung einer Rotlichtzeit von sogar zwei Sekunden (OLG Hamm zfs 2000, 513 = VA 2001, 29 = NZV 2001, 177). Jedenfalls soll die Messung durch Zählen nur verwertbar sein, wenn die Zahl „22“ vollständig ausgesprochen oder – bei stillem Zählen – genannt ist (OLG Köln VRS 106, 214). Auch muss ggf. ein ausreichender Sicherheitsabschlag gemacht werden (OLG Düsseldorf DAR 2003, 234; OLG Köln NJW 2004, 3439).

2. „gezielte“ Beobachtung

Polizeibeamte “21 … 22”
Bei einer gezielten Rotlichtüberwachung kann für die Feststellung der Rotlichtzeit die Zählung von nur „21, 22“, die sonst i.d.R. nicht ausreicht, ggf. aber dann ausreichen, wenn andere Umstände die Richtigkeit dieser Zählung erhärten (OLG Brandenburg DAR 1999, 512; OLG Düsseldorf NZV 2000, 134; OLG Hamm DAR 1997, 77 = NZV 1997, 130 = VRS 92, 441; NZV 2002, 577; DAR 2008, 35 = VRR 2008, 112 = zfs 2008, 111). In dem vom OLG Hamm dazu entschiedenen Fall waren im Urteil zusätzlich noch Entfernungsangaben enthalten, die eine „Rückrechnung“ der Fahrstrecke und -zeit erlaubten (OLG Hamm a.a.O.).

3. Einfaches Zählen

Polizeibeamte “21 … 22 … 23”
Etwas anderes kann bei einer gezielten Rotlichtüberwachung gelten. Dann kann die auf der Zählung „21, 22, 23“ beruhende Schätzung ausreichen, um einen Verstoß nach Nr. 132.3 BKatV festzustellen, da das Augenmerk des Überwachenden dann einzig auf die LZA gerichtet ist, so dass von einem geringeren Fehlerrisiko ausgegangen werden kann (OLG Düsseldorf NZV 2000, 134; OLG Hamm NStZ-RR 1996, 216 = VRS 91, 394; s. aber OLG Hamm NZV 2010, 42 = VRR 2009, 271 = VA 2009, 156 – 21, 22 genügt).

Beobachtungssituation

In den Fällen der Beobachtung durch die Polizei ist vom Gericht oder den Verteidigern die Beobachtungssituation (gezielte Beobachtung / spontane Beobachtung) zu ermitteln.
Im Urteil muss der Tatrichter bei Verurteilung wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes (mehr als 1 Sek. Rotlichtfahrt und Fahrverbot) durch Polizeibeobachtung Aussagen treffen zu (OLG Hamm NZV 2008, 309):

  • Vorhandensein einer Haltelinie
  • Abstand des Betroffenen zur Haltelinie oder zur LZA,
  • Geschwindigkeit
  • Art der Überwachung (gezielt?)
  • Dauer der Gelblichtphase
  • Beobachtungsposition des Polizeibeamten

Fazit

Sie sollten sich folgende Faustregel merken:
Das Schätzen und Zählen „21, 22 …“ reicht – wenn überhaupt – i.d.R. nur, wenn es sich um eine gezielte Rotlichtüberwachung handelt. Der Umstand „gezielte Überwachung“ muss sich dann aber auch aus dem Urteil – und nicht nur aus der Akte – ergeben.

Die Feststellung eines Rotlichtverstoßes kann, insbesondere, wenn es sich um eine zufällige Beobachtung handelt, (auch) entscheidend vom Standort der beobachtenden Polizeibeamten abhängen. Deshalb kann es sich für den Verteidiger empfehlen, durch eine Ortsbesichtigung festzustellen, ob die Polizeibeamten von dem in der Anzeige angegebenen Ort überhaupt genügend Sicht hatten, um den Rotlichtverstoß feststellen zu können.

Rechtsanwalt Ferdi Özbay
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