Gutachten oder Kostenvoranschlag

Brauchen Sie ein Gutachten oder reicht auch ein Kostenvoranschlag?

Schadensminderungspflicht

Bei der Frage, ob Sie ein Sachverständigengutachten oder einen Kostenvoranschlag in Auftrag geben, sollten Sie an Ihre Schadensminderungspflicht denken. Sie haben als Geschädigter Pflichten bei der Schadensabwicklung und müssen den Schaden so gering wie möglich halten.

Kostenvoranschlag

Sie können nicht „blind“ ein Gutachten in Auftrag geben und „unnötige“ Kosten produzieren, wenn der Schaden an Ihrem Fahrzeug offensichtlich nicht mehr als etwa 750,00 EUR beträgt und ihr Schaden durch einen „günstigen“ Kostenvoranschlag ermittelt werden kann. Hier ist die Rede von der Bagatellfallgrenze.

Der Kostenvoranschlag ist die kostengünstige Variante der Schadensfeststellung. In der Regel belaufen sich die Kosten für einen Kostenvoranschlag üblicherweise zwischen 50 EUR und 100 EUR. Meistens werden die Kosten von der Werkstatt im Falle der Reparatur verrechnet. Der Kostenvoranschlag besitzt nicht ansatzweise die Präzision eines Gutachtens. Es werden beispielsweise keine Angaben zur Wertminderung,
Wiederbeschaffungswert oder Restwert gemacht.

BGH zur Frage der Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten – BGH vom 11.02.2014 – Az. VI ZR 225/13

Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Frage der Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten für ein nach einem Verkehrsunfall erstelltes Schadensgutachten zu befassen. Anlass für den Rechtsstreit war die Weigerung der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers, die vom Geschädigten vorgelegte Gutachterrechnung vollständig zu erstatten. Die Versicherung hielt die Vergütung des Gutachters gemessen an einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes für überhöht. Von einem Betrag von 534,55 Euro war sie nur bereit, einen Teilbetrag von 390 Euro zu erstatten. Die Karlsruher Richter sprachen dem Geschädigten auch den streitigen Restbetrag zu und stellten dabei klar, dass ein Unfallgeschädigter im Regelfall berechtigt ist, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Nur wenn für ihn erkennbar ist, dass der beauftragte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, muss er einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen beauftragen. Dabei dürfte es sich letztlich um Ausnahmefälle handeln, da dem Geschädigten Erhebungen über die Angemessenheit von Sachverständigenhonoraren selten bekannt sind. Im Regelfall ist somit von einer vollen Haftung des Schädigers für die angefallenen Gutachterkosten auszugehen, MDR 2014, 401; VersR 2014, 474.

Kein Ersatz von Gutachterkosten bei Bagatellschaden – AG Schwerte vom 23.03.2012 – Az. 7 C 123/11

Bei einem auch für einen technischen Laien erkennbar geringfügigen Fahrzeugschaden besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Ersatz der Kosten für das Gutachten eines Sachverständigen. Zum Nachweis der Reparaturkosten genügt bei einem Bagatellschaden die Einholung eines Kostenvoranschlages einer Fachwerkstatt. Das Amtsgericht sieht – wie auch die überwiegende Rechtsprechung – Reparaturkosten im Bereich bis zu 1.000 Euro als Bagatellschaden an.

Erstattung eines Kostenvoranschlags – LG Hildesheim vom 04.09.2009 – Az. 7 S 107/09

Rechnet ein Unfallgeschädigter seinen Kfz-Schaden auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags ab, verweigert die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers meist die Erstattung der Kosten für die Erstellung des Kostenvoranschlags, da diese von der Werkstatt bei einer Reparatur des Wagens in voller Höhe auf die Reparaturkosten angerechnet werden. Das Landgericht Hildesheim hält diese Praxis zumindest nicht in allen Fällen für gerechtfertigt.
Sieht der Geschädigte von der Erstellung eines wegen Überschreitens der Bagatellgrenze an sich zulässigen, teureren Sachverständigengutachtens ab und rechnet er den Schaden mit einem günstigeren Kostenvoranschlag ab, sind ihm die hierfür entstandenen Kosten zu erstatten, DAR 2009, 651.

Überteuerter Kostenvoranschlag – AG Landsberg a. Lech vom 26.02.2009, 3 C 739/08

Ein Autofahrer ließ nach einem unverschuldeten Unfall von seiner Werkstatt einen Kostenvoranschlag für einen relativ geringen Schaden von ca. 2.800 Euro erstellen. Hierfür sollte er sage und schreibe 198,14 Euro bezahlen. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers erstattete unter Hinweis auf die üblichen Kosten für einen Kostenvoranschlag nur einen Teilbetrag von 50 Euro. Der Autofahrer verlangte daraufhin von der Werkstatt 148,14 Euro zurück.
Das Amtsgericht Landsberg am Lech gab ihm in vollem Umfang Recht. Da der ortsübliche Betrag für einen Kostenvoranschlag von 40 bis 50 Euro um mehr als das Doppelte überschritten wurde, erklärte das Gericht die Forderung der Werkstatt von knapp 200 Euro für sittenwidrig und reduzierte sie auf angemessene 50 Euro, DAR 2009, 277.

Keine Erstattung der Gutachterkosten bei Verschweigen von Vorschäden – OLG Köln vom 23.02.2012 – Az. 7 U 134/11

Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers kann die Erstattung der Gutachterkosten des Unfallgeschädigten Fahrzeughalters verweigern, wenn dieser den Sachverständigen absichtlich oder zumindest fahrlässig nicht über das Vorhandensein von unreparierten Vorschäden informiert hat, sodass sämtliche Schäden des Fahrzeugs in die Kostenkalkulation des Sachverständigen eingeflossen sind und das Gutachten demzufolge völlig unbrauchbar war.

Versicherung zahlt nur „Billigreparatur“ – LG Duisburg vom 22.08.2007 – Az. 11 S 68/06

Kann ein Bagatellschaden mit der von einem örtlichen Fachbetrieb angebotenen „Spot-Repair-Methode“ behoben werden, muss die erstattungspflichtige Haftpflichtversicherung nur diese Kosten tragen. Zur Übernahme der in einem Kostenvoranschlag festgestellten höheren Kosten für eine herkömmliche Reparatur, bei der u.a. der Ersatz der Stoßfängerverkleidung vorgesehen ist, ist die Versicherung nicht verpflichtet, DAR 2008, 346.

Rechtsanwalt Ferdi Özbay
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