HWS Verletzung
Was bedeutet HWS?
Halswirbelsäulensyndrom – HWS-Syndrom – Schleudertrauma – Beschleunigungsverletzung – HWS-Distorsion:
Auffahrunfall
Ursache ist eine unvorhergesehene Beschleunigung, meist von hinten, die eine plötzliche Kopfbewegung gegenüber dem fixierten Rumpf verursacht, z. B. bei Auffahrunfällen. Die Beschwerden halten in der Regel wenige Wochen an, werden aber in 2–3 % der Fälle auch chronisch.
Kausalität
Sie haben den Vollbeweis nach § 286 ZPO zu führen, dass die geschilderten Verletzungen unfallkausal sind, LG Dortmund Urt.v. 06.11.2012 (4 S 8/11).
Harmlosigkeitsgrenze
Auch wenn nicht schematisch von einer sog. Harmlosigkeitsgrenze auszugehen ist, obliegt dem Geschädigten die volle Beweislast für die objektive Verursachung einer HWS-Distorsion durch den Unfall. Der Beweis ist nicht erbracht, wenn ein unfallanalytisches und biomechanisches Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis kommt, dass die Unfallbedingtheit zwar ohne weiteres möglich ist, jedoch auch andere Ursachen für die Beschwerden in Betracht kommen, OLG Jena (Urteil vom 13.01.2009 – 5 U 229/07).
Formel
Das OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 26.02.2013 – 24 U 131/12) hat wie folgt entschieden:
Je geringer die Krafteinwirkungen sind, umso höher sind die Anforderungen an den Nachweis der Unfallursächlichkeit der Verletzungen.
Kollisionsdifferenzgeschwindigkeit von 3 bis 4,5 km/h
Eine Steilstellung der Halswirbelsäule stellt keinen objektiven Hinweis auf eine unfallbedingte HWS-Verletzung darstellt, da eine solche nach dem heutigen Stand der Wissenschaft bei ca. 42 % der Normalbevölkerung festzustellen ist. Auch eine Kollisionsdifferenzgeschwindigkeit von 3 bis maximal 4,5 km/h ist auch unter Berücksichtigung einer etwaigen geneigten Körperhaltung und einer Kopfdrehung im Moment des Aufpralls nicht geeignet, eine Halswirbelsäulendistorsion hervorzurufen. Eine Vorschädigung kann auch zu einer erhöhten Anfälligkeit der Halswirbelsäule auf von außen einwirkenden Faktoren führen, der wissenschaftliche Beweis für diese Argumentation ist bisher jedoch nicht erbracht.
Schmerzensgeldhöhe bei HWS-Schleudertrauma – AG München vom 29.01.2013 – Az. 332 C 21014/12
In der Praxis werden nach Verkehrsunfällen am häufigsten Verletzungen an der Halswirbelsäule (HWS-Schleudertrauma) geltend gemacht. Dementsprechend zurückhaltend sind mittlerweile Haftpflichtversicherungen bei Schmerzensgeldzahlungen. In begründeten Fällen sind gleichwohl erhebliche Entschädigungszahlungen gerechtfertigt. So hat das Amtsgericht München einem Unfallverletzten bei einer erheblichen Dauer und Heftigkeit von unfallbedingten Schmerzen und einer über Wochen gehenden Arbeitsunfähigkeit ein Schmerzensgeld von 2.000 Euro zugesprochen.
HWS-Schleudertrauma auch bei geringer Aufprallgeschwindigkeit – BGH vom 08.07.2008 – Az. VI ZR 274/07
Bei Verkehrsunfällen mit einer geringen Aufprallgeschwindigkeit von 10 km/h und darunter gehen die Instanzgerichte überwiegend davon aus, dass bei Fahrzeuginsassen keine spürbaren Verletzungen der Halswirbelsäule eintreten können. Der Bundesgerichtshof bleibt demgegenüber in einer neueren Entscheidung bei seiner ablehnenden Haltung gegen eine derartige Harmlosigkeitsgrenze, durch die eine Verletzung der Halswirbelsäule trotz entgegenstehender konkreter Hinweise auf eine entsprechende Verletzung generell ausgeschlossen sein soll. Dies gilt auch bei Frontalkollisionen, NJW 2008, 2845; DAR 2008, 587.
Keine Verletzung durch Vollbremsung – LG Würzburg vom 13.07.2007 – Az. 52 S 667/06
Das Landgericht Würzburg schloss aus, dass der Beifahrer eines Pkws durch eine Vollbremsung ein HWS-Schleudertrauma erleiden kann. Hierzu sind die Verzögerungswerte viel zu gering. Auch eine durch den Beinaheunfall hervorgerufene Psychose nahm das Gericht dem Beifahrer angesichts des Bagatellereignisses nicht ab, NJW Spezial 2008, 75.