Gerichtstermin verlegen

Haben Sie eine Ladung zum Hauptverhandlungstermin erhalten und können den Termin aus beruflichen oder privaten Gründen nicht wahrnehmen?

Erscheinungspflicht

Die Erscheinungspflicht geht grundsätzlich privaten und beruflichen Angelegenheiten vor. Wenn Ihnen das Erscheinen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können sie einen Verlegungsantrag stellen. Der Verlegungsantrag muss ausreichend begründet (OLG Hamm NZV 2006, 165) und rechtzeitig erfolgen. Die Fürsorgepflicht des Gerichts kann eine Terminsverlegung gebieten.

Urlaub

Terminiert das Gericht in die übliche Urlaubzeit, muss es mit Ihrer urlaubsbedingten Verhinderung rechnen. Vor allem dann, wenn Sie bereits vor Erhalt der Ladung eine Urlaubsreise gebucht haben, darf ein entsprechend begründeter Verlegungsantrag nicht abgelehnt werden (BVerfG NJW 1969, 1531; OLG Frankfurt zfs 1994, 269; OLG Hamm zfs 2005, 515; LG Berlin NZV 2007, 253).

Berufliche Verpflichtung

Bei einer Kollision mit beruflichen Pflichten ist unter Berücksichtigung der Grundsätze einer sachgerechten Abwägung im Einzelfall zu prüfen, welcher Verpflichtung der Vorrang zu gewähren ist. Das OLG Hamm (zfs 2004, 383), hat z.B. im Fall einer Probeverpflichtung für eine Konzerttournee eines Konzertmusikers der beruflichen Verpflichtung Vorrang eingeräumt. Ähnlich sieht dies auch das OLG Celle (zfs 1998, 115), während das OLG Köln (DAR 2002, 180) die Pflicht zum Erscheinen vor Gericht beruflichen Interessen des Betroffenen grundsätzlich vorgehen lassen will.

Verhinderung des Verteidigers

Der Verlegungsantrag Ihres Verteidigers wegen Verhinderung kann und darf nicht ohne nähere Prüfung zurückgewiesen werden. Die Fürsorgepflicht des Gerichts gebietet es, eine Hauptverhandlung in Gegenwart des Verteidigers zu ermöglichen, wenn es nach der Bedeutung oder Schwierigkeit der Bußgeldsache dem Betroffenen nicht zumutbar ist, sich selbst zu verteidigen.

Krankheit

Gerichtsverhandlungen sind keine angenehmen Verhandlungen. Sie fühlen sich unwohl oder haben ein schlechtes Gewissen und möchten am liebsten nicht hingehen. Da kommt ein Knöchelbruch, eine Migräne oder auch ein Hexenschuss gerade recht, um den Hausarzt um ein Attest zu bitten. Darauf soll er bescheinigen, dass Ihnen aufgrund der Erkrankung ein Erscheinen vor Gericht nicht möglich ist. Bei Vorlage eines die Verhinderung begründenden ärztlichen Attestes besteht ein Anspruch auf Terminsverlegung. Die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes kann jedenfalls nicht verlangt werden (OLG Naumburg zfs 2000, 514; Thüringer OLG zfs 2007, 532). Allerdings genügt dann nicht ein pauschaler Hinweis auf die Erkrankung, vielmehr muss die Art der Erkrankung mitgeteilt werden (OLG Hamm DAR 2008, 398; OLG Bamberg NZV 2009, 303; KG DAR 2011, 146).

Vorsicht

Aber so einfach ist das nicht!
Sie müssen nämlich vernehmungsunfähig oder reise- und transportunfähig oder verhandlungsunfähig (terminunfähig) sein!

Wann sind Sie vernehmungsunfähig?

Vernehmungsunfähig sind Sie, wenn Ihr Denken, Ihr Antrieb, Ihr Willen und Ihr Gedächtnis beeinträchtigt ist oder sogar eine Bewusstseinsstörung vorliegt. Ihr Gedächtnis und die Erinnerung können etwa durch Durchblutungsstörungen des Gehirns (Gefäßverkalkung) oder nach einem Schlaganfall gestört sein. Auch Alkoholismus, Medikamenten- oder Drogenabhängigkeit sowie ein Entzug von diesen Stoffen kann die oben genannten psychomentalen Funktionen einschränken und Vernehmungsunfähigkeit hervorrufen. Gleiches gilt für eine schwere Depression, eine Psychose wie etwa eine akute Schizophrenie oder ein Demenzleiden.

Beispiel
Ein Armbruch macht Sie arbeitsunfähig, aber noch lange nicht verhandlungsunfähig. Hier ist eher die Frage der Transport- und Reisefähigkeit zum Gerichtsort zu klären. Letzteres nennt man die Terminfähigkeit.

Hatten Sie einen Herzinfarkt vor einem Monat, dürfen Sie noch nicht arbeiten gehen, Ihre Belastbarkeit ist noch nicht wieder ausreichend hergestellt. Vor Gericht müssen Sie jedoch wahrscheinlich erscheinen. Auch die Einnahme von Medikamenten, die zentralnervös, d. h. auf das Gehirn, wirken, wie z. B. Schlafmittel, Antiepileptika oder Antidepressiva, begründet ebenfalls noch nicht das Fernbleiben vom Gerichtstermin. Hier wird im Einzelfall entschieden, ob diese Arzneimittel in der individuellen Situation die freie Willensäußerung beeinflussen.

Wann besteht Terminunfähigkeit?

Vernehmungs- und Terminunfähigkeit sind zwei verschiedene „Schubladen“. Sie können terminunfähig, aber trotzdem vernehmungsfähig sein. Von Terminunfähigkeit spricht man, wenn Ihre Reisefähigkeit zum Gerichtsort eingeschränkt ist. Das ist unabhängig von den oben erwähnten Erkrankungen natürlich bei vielen anderen Krankheiten möglich.

Beispiel

  • schwere Herzleiden mit Luftnot und Belastungseinschränkungen
  • chronische Nierenkrankheiten mit der Notwendigkeit, jeden zweiten Tag die Dialyse aufzusuchen
  • fortgeschrittene Tumorkrankheiten mit Schwächezuständen
  • Schmerzen, Gelenk- und Wirbelsäulenbeschwerden mit hochgradigen Mobilitätsstörungen
  • auch Akutereignisse wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder ein Autounfall machen den Weg in den Gerichtssaal unmöglich
  • ausgeprägte Durchblutungsstörungen der Beine, wie sie bei der langjährigen Zuckererkrankung oder der fortgeschrittenen Arterienverkalkung auftreten
  • akute Gastroenteritis mit Durchfall und mehrfachem Erbrechen

Keine Zumutbarkeit

Bei all diesen Erkrankungen ist es im Einzelfall nicht zumutbar bzw. mit einem Risiko für Ihre Gesundheit oder Genesung verbunden, eine Reise zu einem Gerichtstermin anzutreten. Dies kann Ihr Arzt in einem entsprechenden Schreiben attestieren. Da Sie aber eventuell gleichzeitig sehr wohl vernehmungsfähig sind, kann es sogar möglich sein, dass die Vernehmung außerhalb des Gerichtsgebäudes an Ihrem Krankenbett stattfindet. Entscheidend ist, ob Sie genügend entschuldigt sind und nicht, ob Sie sich genügend entschuldigt haben, OLG Stuttgart DAR 2004, 165. Das Gericht muss sich daher mit den Gründen auseinandersetzen, insbesondere dann, wenn der Entschuldigungsgrund rechtzeitig vor dem Termin bei der Geschäftsstelle eingegangen ist, OLG Hamm NZC 2003, 348, OLG Köln NZV 2003, 439. Eine genügende Entschuldigung verbietet die Verwerfung des Einspruchs.

Rechtsmittel

Sie können gegen das Verwerfungsurteil Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils beantragen (§74 Abs. 4 OWiG). Bei einer zulässigen Rechtsbeschwerde kann ein Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden.

Verfahrensrüge

Mit der Verfahrensrüge, mit der eine Anwendung des Begriffs der nicht genügenden Entschuldigung gerügt wird, kann in zulässiger Weise erhoben werden. Das Amtsgericht hat nicht ohne Rechtsfehler dargelegt, dass Sie im Sinne des § 74 Abs. 2 OWiG im Hauptverhandlungstermin ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sind. Die Entscheidung, ob das Ausbleiben des Betroffenen genügend entschuldigt ist, obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter. Das Beschwerdegericht kann nur nachprüfen, ob der Tatrichter die Entschuldigungsgründe, die vorlagen, überhaupt einer sachlichen Prüfung unterzogen hat und ob er dabei den Rechtsbegriff der nicht genügenden Entschuldigung richtig angewandt hat (OLG Hamm, StV 2007, 307). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Betroffener sich rechtzeitig entschuldigt hat, sondern allein darauf, ob er entschuldigt ist. Vorliegend ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil, dass die Betroffene zur Entscheidung ihres Ausbleibens eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übersandt hat, welche von dem erkennenden Richter jedoch nicht als ausreichende Entschuldigung angesehen worden ist, weil hiermit lediglich die Arbeitsunfähigkeit und nicht die Verhandlungsunfähigkeit- und/oder Reiseunfähigkeit bescheinigt worden ist. Liegt aber ein ärztliches Attest oder auch nur eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, so kann das Ausbleiben nur dann als unentschuldigt angesehen werden, wenn die Unrichtigkeit des Attestes bzw. die Reiseunfähigkeit erwiesen ist. (OLG Braunschweig, Beschluss vom 08.12.2006 – Ss (OWi) 140/06). Auch ein ärztliches Attest über die Arbeitsunfähigkeit ist nicht von vornherein ungeeignet, einen Entschuldigungsgrund darzustellen. Hat das Gericht Zweifel, ob die genannten Entschuldigungstatsachen zutreffen, so muss es die erforderlichen Feststellungen im Freibeweisverfahren unter Ausnutzung technischer Hilfsmittel treffen.

Urteil

Ein Verwerfungsurteil muss sich mit Entschuldigungsgründen und auch damit auseinandersetzen, aus welchen Gründen das Gericht einen Terminverlegungsantrag nicht entsprochen hat

Rechtsanwalt Ferdi Özbay
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