Notstand
Sind Sie zu schnell gefahren, weil Sie ärztliche Hilfe erlangen wollten? Sie sind der Meinung, dass der Verstoß hinreichend „entschuldigt“ ist?
Einzelfall
Eine Geschwindigkeitsüberschreitung kann unter Notstandsgesichtspunkten im Einzelfall gerechtfertigt sein.
Keine grobe Pflichtwidrigkeit
Bei irriger Notstandsrechtfertigung liegt ein vermeidbarer Verbotsirrtum vor, der aber der Annahme grober Pflichtwidrigkeit und der Anordnung eines Fahrverbots, insbesondere bei einem mit Rettungswillen begangenen Verkehrsverstoß, entgegenstehen kann, vgl. OLG Köln DAR 2005, 574.
Rechtfertigung
Die Notwendigkeit, dringend ärztliche Hilfe zu erlangen, kann eine Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb gewisser Grenzen rechtfertigen, OLG Hamm DAR 1994, 409. Die Notstandsrechtfertigung ist in einem derartigen Fall nicht deswegen generell ausgeschlossen, weil der Betroffene einen ärztlichen Notdienst herbeirufen kann.
Taxifahrer
Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch einen Taxifahrer, der eine schwangere Frau ins Krankenhaus befördert und wegen einsetzender Wehen um das Leben und Gesundheit fürchtet, kann wegen Notstands gerechtfertigt sein, OLG Düsseldorf NZV 1996, 122 DAR 1995, 168.
Ehemann
Auch bei einem Ehemann, der aus Sorge um seine schwangere, möglicherweise bereits in den Wehen liegenden Ehefrau, die ihn gebeten hat, unverzüglich nach Hause zu fahren, um ihr so schnell wie möglich beistehen zu können, die Geschwindigkeit um 42 km/h außerorts überschreitet, liegt nur ein geringer Handlungsunwert vor, der es nicht rechtfertigt, das Regelfahrverbot zu verhängen, OLG Karlsruhe DAR 2002, 229.
Kein Notstand bei Durchfallerkrankung
Anders aber, wenn der Betroffene wegen anormalen Stuhldrangs infolge einer Durchfallerkrankung seinem Schamgefühl wegen der Anwesenheit einer Beifahrerin nicht anders Rechnung tragen konnte, als mit überhöhter Geschwindigkeit einen Parkplatz anzusteuern, OLG Zweibrücken NStZ-RR 1997, 379.
Durchfall
Das OLG Düsseldorf Beschluss vom 06.12.07 zfs 2008, 168
Hat entschieden, dass ein Verkehrsverstoß im Einzelfall durch einen Notstand gerechtfertigt sein kann, wenn der oder die Betroffene ihn begangen hat, um einem plötzlich auftretenden und „unabweisbaren“ Stuhldrang“ (Durchfall) nachzukommen.