Augenblicksversagen

Was bedeutet Augenblicksversagen?

Geringer Fahrlässigkeitsvorwurf

Ein Augenblicksversagen liegt vor, wenn der zu erhebende Fahrlässigkeitsvorwurf in der konkreten Situation besonders gering ist.

Fahrlässigkeit

Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit setzt zumindest Fahrlässigkeit voraus. Das Übersehen eines Verkehrszeichens stellt eine leicht fahrlässige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit dar.

Fahrverbot

Die Anordnung eines Fahrverbotes setzt eine grobe oder beharrliche Pflichtverletzung voraus. Die vom Verordnungsgeber mit Fahrverbot umschriebenen Regelverstöße sind besonders gravierend und gefahrenträchtig und offenbaren ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr, so dass es regelmäßig eines Fahrverbotes bedürfe.

Indiz

Bei einem Augenblicksversagen kann die grobe oder beharrliche Pflichtwidrigkeit nicht aber dadurch indiziert werden, indem Sie ein Regelbeispiel verwirklichen.

Einfache Fahrlässigkeit

Die qualifizierte oder übertriebene Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist nicht notwendig Ausdruck eines groben Verstoßes gegen die Pflichten eines Fahrzeugführers im Sinne des § 25 Absatz 1 Satz 1 StVG. Wenn der Geschwindigkeitsverstoß etwa auf dem Übersehen eines Verkehrszeichens beruht, ist kein besonders verantwortungsloses Verhalten, sondern lediglich „einfache“ Fahrlässigkeit gegeben.

Nur auf eine entsprechende Einlassung

Die Bußgeldstellen und Gerichte brauchen bei einer solchen qualifizierten Geschwindigkeitsüberschreitung der Frage, ob die Tat auf einem lediglich einfach fahrlässigen Übersehen des die Geschwindigkeit beschränkenden Vorschriftszeichens beruht, nur auf eine entsprechende Einlassung des Betroffenen nachzugehen, BGH, Beschluss vom 11.09.1997 – 4 StR 638/96.

Subjektive Vorwerfbarkeit

Im Falle eines Augenblickversagen ist es allein entscheidend, dass die subjektive Vorwerfbarkeit der Ordnungswidrigkeit besonders gering ist. Es ist nicht entscheidend, wie deutlich der objektive Tatbestand erfüllt ist, d.h. wie hoch die Geschwindigkeitsüberschreitung (grobe Pflichtwidrigkeit) ausfällt und nicht entscheidend ist demzufolge auch, wie viele Wiederholungen beim Regelfall (beharrlichen Pflichtwidrigkeit) vorliegen.

Subjektiv besonders verantwortungslos

Das besondere objektive Gewicht einer Ordnungswidrigkeit vermag indes die Annahme einer groben Pflichtverletzung für sich allein nicht zu tragen. Sie müssen auch subjektiv besonders verantwortungslos handeln. Eine grobe Pflichtverletzung kann Ihnen nur vorgehalten werden, wenn Ihre wegen ihrer Gefährlichkeit objektiv schwerwiegende Zuwiderhandlung subjektiv auf groben Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit zurückgeht.

Rechtstreuer Gesinnung

Die objektiven Merkmale eines Regelfalls nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BußgeldKatVO allein rechtfertigen noch nicht die Festsetzung eines Fahrverbots. Der Verstoß muss dem Betroffenen auch subjektiv vorwerfbar sein. Dies erfordert bei dem “beharrlichen” Pflichtenverstoß ein Handeln des Täters, das auf einem Mangel an rechtstreuer Gesinnung beruht.

Zweck des Fahrverbots

Der Sinn und Zweck des Fahrverbots dient allein der Erziehung. Sie ist als „Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme“ gedacht und ausgeformt. Krumm NZV 2005, 449.

Wenn Sie infolge eines Augenblicksversagens fahrlässig eine – objektiv schwerwiegende – Verkehrsordnungswidrigkeit begehen, die nicht vorkommen darf, aber erfahrungsgemäß auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann, bedarf es nicht zur Einwirkung auf einen Verkehrsteilnehmer, des Einsatzes eines „eindringlichen Erziehungsmittels“.

Grobe Pflichtwidrigkeit

Die Anordnung eines Fahrverbots gem. § 25 Absatz 1 Satz 1 StVG wegen grober Verletzung kommt auch bei einer die Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV erfüllenden Geschwindigkeitsüberschreitung nicht in Betracht, wenn die Ordnungswidrigkeit darauf beruht, dass der Betroffene infolge einfacher Fahrlässigkeit ein die Geschwindigkeit begrenzendes Verkehrszeichen übersehen hat, und keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen, aufgrund derer sich die Geschwindigkeitsbeschränkung aufdrängen musste, BGH Beschluss vom 11.09.1997 – 4 StR 638/96.

Beharrliche Pflichtwidrigkeit

Eine “Beharrlichkeit” im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ist nicht gegeben, wenn der dem Kraftfahrzeugführer vorgeworfene Verstoß, der die “Beharrlichkeit” begründen soll, auf ein so genanntes “Augenblicksversagen” zurückgeht, welches auch ein sorgfältiger und pflichtbewusster Kraftfahrer nicht immer vermeiden kann. Etwas anderes gilt nur, wenn besondere Umstände vorliegen, die die besondere Aufmerksamkeit des Kraftfahrers hervorrufen müssen, wie z.B. ein so genannter Geschwindigkeitstrichter, eine Baustelle oder eine geschlossene Ortslage, OLG Hamm, Beschluss vom 24.06.1999, Az. 2 Ss OWi 509/99.

Rechtsanwalt Ferdi Özbay
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