Schmerzensgeldzahlungen in der Übersicht

Sie sind mit der Höhe des Schmerzensgeldes nicht zufrieden?

Unrealistische Vorstellung

Das kann ich sehr gut verstehen. Ich stelle immer wieder fest, dass die Vorstellungen über die Höhe des Schmerzensgeldes erheblich von der Realität abweichen.

Niedrige Schmerzensgeldzahlungen

Im Vergleich zu USA oder zu anderen europäischen (sozial schwachen) Ländern, sind die Schmerzensgeldzahlungen in Deutschland wesentlich und deutlich niedriger. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld wird sogar teilweise verneint (Bagatellverletzung), wenn die Verletzung keine abgrenzbare immaterielle Beeinträchtigung darstellt, die einen Ausgleich in Geld erforderlich macht.

Träumen kann jeder. Sie sollten realistisch bleiben.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sollten Sie in Deutschland den Bogen nicht überspannen und nicht mit unrealistischen Vorstellungen Ihre Ansprüche beziffern

Beispiele aus der Praxis

1. LG Bochum vom 10.12.2008, AZ 6 O 259/08

Das LG Bochum hat im Jahre 2008 einem 13-jährigen Mädchen ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000 EUR zuerkannt bei dem im Rahmen einer Blinddarmoperation infolge eines Behandlungsfehlers die Bauchhauptschlagader verletzt und dadurch die Durchblutung des später amputierten Beines unterbrochen wurde. Dieser Bemessung des Schmerzensgeldes lag eine Alleinhaftung des Schädigers zugrunde, vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.08.2013 AZ 1 U 68/12.

Ich möchte Ihnen etwas deutlich machen:
Geht man von einer Lebenserwartung des 13-jährigen Kindes von etwa 65 Jahren aus, muss sie noch 52 Jahre mit nur einem Bein leben. Dies bedeutet, dass sie für den Verlust ihres Beines täglich eine Entschädigung von ca. 10,54 EUR erhält.

Möchten Sie für 10,54 EUR pro Tag mit 13 Jahren für den Rest Ihres Lebens auf ein Bein verzichten?

In den 90er Jahren wurden für unfallbedingte Oberschenkelamputationen bei vollumfänglicher Haftung des Schädigers Schmerzensgelder im Bereich von nur 30.000 bis maximal 100.000 EUR für angemessen angesehen, vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.08.2013 AZ 1 U 68/12.

Prellungen durch eine leichte Körperverletzung verursachen Schmerzensgeld in einer ungefähren Höhe von 100 EUR. Eine Gehirnerschütterung kann mit bis zu 400 EUR und der Verlust der Seefähigkeit mit bis zu 3.000 EUR entschädigt werden.

2. Armamputation nach fehlerhafter Gipsschienenbehandlung – OLG Hamm vom 13.06.2017 – Az. I-26 U 59/16

Übersieht ein Arzt, nachdem er einem Patienten einen verletzten Arm eingegipst hat, bei einer Nachsorge eine massive Durchblutungsstörung und muss der Arm daraufhin amputiert werden, hat er dem 50-jährigen Patienten ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro zu bezahlen.

3. Notwendigkeit einer erneuten Aufklärung der Eltern während Operation eines Kindes – OLG Hamm vom 07.12.2016 – Az. 3 U 122/15

Während der Operation an der Niere eines achtjährigen Kindes stellte sich heraus, dass der ursprünglich geplante Eingriff nicht durchführbar war. Die behandelnde Ärztin informierte noch während der Operation die anwesenden Eltern und schlug als einzige Alternativmaßnahme die Entfernung der linken Niere vor, womit die Eltern einverstanden waren. Später stellte sich heraus, dass die Organentfernung nicht die einzig mögliche Maßnahme war.
Das Oberlandesgericht Hamm vertrat die Auffassung, dass während der Operation eine veränderte Situation aufgetreten war, die eine erneute Aufklärung der sorgeberechtigten Eltern über die zu verändernde Behandlung und ihre hierzu erteilte Einwilligung erforderlich gemacht hatte. Da diese Aufklärung durch die Ärztin fachlich nicht richtig war, muss die Klinik dem Kind wegen des Verlustes der Niere nunmehr ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.500 Euro bezahlen.

4. OP-Fehler: 400.000 Euro bei Querschnittslähmung – OLG Hamm vom 11.11.2016 – Az. 26 U 111/15

Erleidet eine Patientin durch eine grob fehlerhafte Operation ihrer Halswirbelsäule eine Querschnittslähmung, steht ihr gegenüber dem behandelnden Arzt und der Klinik ein Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro zu.

5. Schmerzensgeldanspruch bei schwerem HWS-Syndrom – LG Tübingen vom 27.10.2015 – Az. 5 O 155/14

Dem Geschädigten eines unverschuldeten Verkehrsunfalls, der unfallbedingt ein HWS-Syndrom mit dem Schweregrad I-II erleidet, das drei Tage stationär behandelt werden musste und zu einer elfmonatigen Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (davon zwei Monate zu 100 Prozent) führte, steht laut Landgericht Tübingen ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 Euro zu.

6. OLG Hamm

Das OLG Hamm hat im Jahre 2012 (30 U 80/11) für Messerstichwunden an Bauch, Oberschenkel und Hand, Blutergüsse, Kratzer, Prellungen psychische Schäden ein Schmerzensgeld von 6.500 EUR für angemessen und ausreichend erachtet.

7. OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf hat im Jahre 1994 (22 U 171/193) für Leber- und Dick, sowie Dünndarmverletzung wegen Bauchschuss ein Schmerzensgeld von ca. 20.500 EUR für angemessen und ausreichend erachtet.

8. OLG Zweibrücken

Das OLG Zweibrücken hat im Jahre 1998 (4 U 66/98) für Teilerblindung durch Schlägerei ein Schmerzensgeld von ca. 30.700 EUR für angemessen und ausreichend erachtet.

9. OLG Hamm

Das OLG Hamm hat im Jahre 2002 (OLG Hamm, Urteil vom 28.10.2002, AZ 3 U 200/01) auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 127.823 EUR bei einer Alleinhaftung des Schädigers für einen Säugling erkannt, dem aufgrund eines Behandlungsfehlers ein Oberschenkel amputiert werden musste.

10. Erhöhtes Schmerzensgeld wegen verzögerter Schadensregulierung – OLG Dresden vom 28.04.2017 – Az. 6 U 1780/16

Erleidet ein Unfallbeteiligter durch einen unverschuldeten Verkehrsunfall eine Fraktur des linken Unterarmknochens, eine Fraktur des linken Handgelenks, eine Fraktur des rechten Sprunggelenks sowie ein Schädelhirntrauma und führten diese Verletzungen zu einem Krankenhausaufenthalt von fast drei Monaten, einer ca. sechswöchigen stationären und einer weiteren zweimonatigen ambulanten Rehabilitationsbehandlung, so ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.000 Euro angemessen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigte das Oberlandesgericht Dresden anspruchserhöhend das grundlos zögerliches Regulierungsverhalten der eintrittspflichtigen Versicherung, die erst nach ihrer erstinstanzlichen Verurteilung und damit fast vier Jahre nach dem Unfall eine Abschlagszahlung von 5.000 Euro leistete, obwohl eine Haftung dem Grunde nach auf der Hand lag und allenfalls ein Mitverschulden des Geschädigten in Betracht kam, DAR 2017, 463.

11. Zahnärztlicher Behandlungsfehler durch fehlenden Hinweis auf Nachbesserungsbedürftigkeit des Zahnersatzes – OLG Hamm vom 12.09.2014 – Az. 26 U 56/13

Versäumt es ein Zahnarzt, seinen Patienten nach Einsetzen einer Brücke ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die von ihm eingegliederte Brücke nachbesserungsbedürftig ist, ist darin ein schwerwiegender Behandlungsfehler zu sehen. Erleidet der Patient in der Folgezeit durch scharfe Kanten des Zahnersatzes schmerzhafte Reizungen, Blutungen, Rötungen und Schwellungen, ist der Zahnarzt zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (hier 1.000 Euro) verpflichtet.

12. 18.000 Euro Schmerzensgeld für misslungene Haarfärbung – OLG Koblenz vom 22.07.2013 – Az. 12 U 71/13

Eine 16-Jährige ließ ihre dunklen Haare in einem Friseursalon blond färben. Obwohl sie äußerte, dass ihre Kopfhaut jucke und brenne, wurde die Behandlung fortgesetzt. Während der folgenden Tage schwoll das Gesicht der jungen Frau an. Alsdann starb in mehreren Bereichen der Kopfhaut Gewebe ab mit der Folge des Verlustes sämtlicher dort vorhandener Haare. Im Universitätsklinikum wurde eine toxische Kontaktdermatitis diagnostiziert. Dass der Friseur für die völlig missglückte Haarfärbung geradestehen muss, liegt auf der Hand. Außergewöhnlich an dem vom Oberlandesgericht Koblenz verhandelten Fall war jedoch die Höhe des festgesetzten Schmerzensgeldes.
Bei einem „derartigen Ausmaß der Schädigung der Kopfhaut der Kundin, der Dauer der Schmerzen, die sie erleiden musste, der Dauer der Krankenhausaufenthalte, den nach dem Gutachten der Ärzte sehr wahrscheinlich irreversiblen Haarverlust in den betroffenen Bereichen und der erheblichen seelischen Belastung („Anpassungsstörung“) durch die Entstellung und die damit einhergehende Beeinträchtigung ihrer persönlichen Integrität als Folge des Schadensereignisses“ hielt das Gericht ein Schmerzensgeld von 18.000 Euro für angemessen, NJW-RR 2013, 1433.

13. Schwerwiegende Folgen einer Schulhofschlägerei – OLG Hamm vom 08.11.2013 – Az. 26 U 31/13

Erleidet ein Jugendlicher durch mehrere Schläge eines vierzehnjährigen Mitschülers auf dem Weg zum Pausenhof eine schwere Gehirnerschütterung, eine Prellung, ein Hämatom am rechten Auge und eine Augenhöhlenfraktur, die aufgrund eines eingeklemmten Augenmuskels operativ behandelt werden muss, kann er von dem Schläger neben der Erstattung der Behandlungskosten ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro verlangen. Der Schadensersatzanspruch setzt nicht voraus, dass die eingetretenen schweren Folgen von dem Schädiger beabsichtigt waren. Ausreichend ist, dass er sie für möglich erachtet hat (sog. bedingter Vorsatz).

14. Kein Schmerzensgeld für beleidigten Polizisten – LG Oldenburg vom 07.02.2013 – Az. 5 S 595/12

Nach einer Entscheidung des Landgerichts Oldenburg steht einem Polizisten selbst bei übelsten Beleidigungen durch einen betrunkenen Autofahrer mit den Ausdrücken „Scheiß Bullenschwein“ oder „dummes Arschloch“ kein Anspruch auf Schmerzensgeld zu. Voraussetzung für eine Geldentschädigung ist eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dies verneinte das Gericht mit dem Hinweis auf die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, wonach sich Staatsbedienstete heftige, auch persönlich gemeinte Kritik gefallen lassen müssen, NJW-RR 2013, 927; NZV 2013,502.

15. Schmerzensgeld bei lang andauernder Lebensbeeinträchtigung – OLG Karlsruhe vom 20.12.2012 – Az. 9 U 38/11

Erleidet ein Radfahrer bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall eine Schulterverletzung, durch die über einen Zeitraum von zwei Jahren seine Lebensgestaltung im Alltag, insbesondere beim Autofahren eingeschränkt ist und er persönlich wichtigen Freizeitbeschäftigungen wie Klettern und Schwimmen nicht nachgehen kann, und können die Unfallfolgen nur durch eine letztlich doch notwendige Operation beseitigt werden, rechtfertigt dies einen Anspruch auf ein Schmerzensgeld von 7.500 Euro. Dem steht nicht entgegen, dass der Verletzte nach dem Unfall nur wenige Tage arbeitsunfähig krank war, VRR 2013, 202.

Höchstes Schmerzensgeld

Das mit einer Million Euro höchste Schmerzensgeld für eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts hat der verstorbene Altbundeskanzler Helmut Kohl im Jahre 2007 erhalten. Kohl war gegen Autoren vorgegangen, die vertrauliche Zitate von ihm veröffentlicht hatten.

Kein Vergleich zu anderen Ländern

Doch selbst das höchste Schmerzensgeld ist in Deutschland gering, wenn man es mit Zahlungen in den USA vergleicht. Dort erhielt zum Beispiel die Witwe eines Kettenrauchers, die gegen einen Tabakkonzern geklagt hatte, zuletzt eine Gesamtentschädigung von gut 23 Milliarden Dollar.

Auch zwischen europäischen Ländern gibt es deutliche Unterschiede. So sind Schmerzensgelder in Italien in der Regel wesentlich und deutlich höher.

 

Fazit
In Deutschland gibt es wenig bis kein Schmerzensgeld.

Rechtsanwalt Ferdi Özbay
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