Messung durch Polizeibeamte
Welche Abstandsmessverfahren gibt es?
Im Einzelnen
Die in der Praxis häufigsten Messverfahren sind
- die Brückenabstandsmessverfahren
- das Video-Abstand-Messverfahren
- die Messung mit dem Police-Pilot-System und
- die Messung durch Polizeibeamte ohne technische Geräte
Messung durch Polizeibeamte
Bei dieser Messmethode stellen die Polizeibeamten durch Beobachtung die Unterschreitung des erforderlichen Abstandes fest, und zwar entweder durch Nachfahren auf einem anderen Fahrstreifen (OLG Düsseldorf DAR 00, 80) oder auch durch Vorausfahren. In diesem Fall wird der Abstand zum nachfolgenden Fahrzeug durch Umschauen oder durch den Innenspiegel festgestellt (OLG Köln VRS 60, 62; OLG Celle NZV 93, 490; BayObLG zfs 97, 20).
Grundsätzlich ist diese Messmethode als zuverlässig anerkannt. Es sind allerdings dieselben Fehler möglich wie bei der Geschwindigkeitsmessung durch Vorausfahren oder Nachfahren (vgl. dazu Beck/Berr, a.a.O.; Rn. 461).
Kein standardisiertes Messverfahren
Aufgrund der Vielzahl von Fehlerquellen und Unsicherheiten in diesem Bereich neben den auch beim nicht standardisierten Messverfahren vorhandenen Fehlerquellen, sind hier weitere verfahrenstypische tatsächliche Feststellungen nötig, also die konkrete Beobachtungssituation, die individuellen Fähigkeiten des eingesetzten Polizeibeamten spielen eine Rolle, wie auch die Witterungssituation und Tageszeit, ferner die ununterbrochene Beobachtung der Abstandsstrecke und die Geschwindigkeit zur abgelesenen Geschwindigkeit. Relevant hier ist auch die Eichung, bzw. Justierung des Tachometers des nachfahrenden Polizeiautos, die Messstrecke, der Abstand zum gemessenen Fahrzeug des Betroffenen, etc. (hierzu auch in Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2014, § 5 Rn 531 ff.)
Geübte und erfahrene Polizeibeamten
In der Regel sind für eine solche Messung geübte und erfahrene Polizeibeamten nötig, welche den Abstand durch Beobachtung der beteiligten Fahrzeuge über eine hinreichend lange Strecke einschätzen können – sie müssen hierzu in nicht zu großer Entfernung schräg versetzt hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug fahren (OLG Hamm, DAR 2006, 338 = BeckRS 2006, 03031). Schätzhilfen (z.B. Länge der Leitlinienmarkierungen) sind dann nicht erforderlich, aber hilfreich (OLG Hamm, DAR 2006, 338 = BeckRS 206, 03031).
Im Übrigen muss zwischen Nachfahren und Vorausfahren unterschieden werden:
Nachfahren
Für das Nachfahren auf einem anderen Fahrstreifen geht die Rspr. davon aus, dass erfahrene Polizeibeamte bei längerer gleichbleibender Messstrecke einen auffällig verkürzten Abstand des Vorausfahrenden zu dessen Vordermann ausreichend schätzen können (OLG Düsseldorf DAR 00, 80 m.w.N.). Für ungeübte Polizeibeamte gilt das nicht unbedingt (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Auch ist eine Beobachtung aus 100 m Entfernung nicht ausreichend (OLG Hamm NStZ-RR 97, 379). Auch gegen Schätzungen bei Nachfahren auf demselben Fahrstreifen bestehen Bedenken (OLG Düsseldorf VA 02, 155, Abruf-Nr. 021137).
Hinweis:
Eine festgestellte Länge der überprüften Fahrstrecke von 600 m und ein Abstand des Überwachungsfahrzeugs von ca. 40 m zum Vorausfahrenden sind ausreichend (vgl. auch OLG Düsseldorf VRS 64, 376, 379; VRS 56, 57, 58).
Vorausfahren
Die Feststellungen des zu geringen Abstandes aus einem vorausfahrenden Kfz sieht die Rspr. als Tatfrage an. Sie geht davon aus, dass sichere Beobachtungen kaum möglich sein werden (BayObLG zfs 97, 20). Das gilt insbesondere bei Dunkelheit (OLG Celle NZV 93, 490). Jedenfalls dürfen sich Schätzfehler nicht zu Lasten des Betroffenen auswirken (OLG Hamm DAR 96, 382 bei Burhoff).
AG Lüdinghausen NZV 2009, 159
Eine zuverlässige Abstandsmessung aus einem vorausfahrenden Fahrzeug durch nur einen Polizeibeamten, welcher gleichzeitig den fließenden Verkehr und den nachfolgenden Verkehr sowie den Tachometerabstand und die Kilometeranzeigen am Fahrbahnrand beobachten muss, überschreitet auch bei erfahrenen Beamten die Grenzen der menschlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten und ist daher nicht möglich.
Einem späteren Nachstellen des Abstands zwischen zwei Fahrzeugen auf einen Autobahnparkplatz kommt keinerlei Beweiskraft zu.
Sicherheitsabschlag
Wegen der erheblichen Fehlerquellen ist ggf. ein großer Sicherheitsabschlag zu machen. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf reichen 33,3 % nicht aus (vgl. VRS 68, 229).
Messungen durch Nachfahren/Vorausfahren sind anhand nachfolgender Prüfungsreihenfolge abzuarbeiten:
- Das Urteil muss erkennen lassen, aus welcher Situation heraus die Schätzung stattgefunden hat (Vorausfahren oder Nachfahren).
- Die individuellen Fähigkeiten des eingesetzten Polizei-/Messbeamten sind festzustellen (geübt/geschult?).
- Die Witterungssituation/Tageszeit ist darzulegen, damit gegebenenfalls erhöhte Darlegungsanforderungen bei Messungen zur Nachtzeit festgestellt werden können.
- Die ununterbrochene Beobachtung der Abstandsstrecke und der Geschwindigkeit ist festzustellen (insbesondere schwierig bei alleinfahrenden Polizeibeamten).
- Die abgelesene Geschwindigkeit ist anzugeben; ferner sind erforderlich Angaben hinsichtlich der Eichung, bzw. Justierung des Tachometers des Polizeifahrzeugs (ohne Angaben ist von fehlender Eichung/Justierung auszugehen mit höheren Toleranzabzügen).
- Ebenfalls sind die Messstrecke, der Abstand des zu messenden Fahrzeugs von der Abstandsstrecke und die Abstandsstrecke selbst (bei Nachfahren) bzw. die Messstrecke und der Abstand (bei Voranfahren) festzustellen.